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(Beitrag zur Serie: Schon mal gehört von… ?)

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Luftbildaufnahme des SAW, schon mit Überbauten aus den 1990er Jahren (Foto J. Meusel)

 

Nein, die Abkürzung steht weder für einen Radiosender noch für so etwas wie

„Sozialistisches Aufbau-Werk“ der DDR.

Es handelt sich um die im Sprachgebrauch unter Kollegen gängige Abkürzung für das Saatgutaufbereitungswerk im Neinstedter Feldweg in Quedlinburg.

Es wurde im Rahmen eines breitangelegten Investitionsprogramms für die Saatgutwirtschaft der DDR Mitte der 1970er Jahre durch den VEB Saat- und Pflanzgut - gartenbauliche Kulturpflanzenarten - Quedlinburg erbaut. Es verfügte über eine Kapazität für 10.000 t Erbsen- und 3.000 t Bohnensaatgut pro Saison. Damit sollte die auf viele verschiedene Speicher in und um Quedlinburg verteilte Erfassung und Reinigung der Hülsenfrüchte konzentriert und die Schlagkraft bei der Saatgutbereitstellung deutlich erhöht werden. Mit seinen neuen Anlagen für die Reinigung, Trocknung, Lagerung und Auslieferung des Saatgutes verfügte das SAW über modernste Technik. Dafür wurden nicht nur die bekannten Reinigungsmaschinen von Petkus Wutha in der DDR eingesetzt, sondern sogar Sonderimporte aus dem Nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet (NSW) durchgeführt.

Einige unserer früheren Kollegen werden sich vielleicht gerade jetzt, nach diesem seit langem mal wieder etwas strengeren Winter an die Ausnahmesituation kurz vor endgültiger Fertigstellung der Lagerhallen des neuen SAW im Winter 1978/79 erinnern. Ein großer Teil des Saatgutes befand sich damals nach der Ernte noch in der für die Zwischenlagerung errichteten Traglufthalle. Mit dem Wintereinbruch fiel zuerst  die Stromzufuhr aus, und die Dieselmotoren der Notstromaggregate versagten wenig später ihren Dienst. Die Hülle der Traglufthalle begann zusammenzufallen. Tausenden Tonnen wertvollen Saatgutes drohte der Verlust. In einer einmaligen Kraftanstrengung sicherten die Einsatzkräfte der Berufsfeuerwehr, der gemeinsamen Freiwilligen Feuerwehr des Institutes und des VEB und alle irgendwie einsetzbaren männlichen Kollegen bei eisigen Witterungsbedingungen das Saatgut. Sogar Hubschrauberpiloten der benachbarten sowjetischen Garnison in Ditfurt kamen zu Hilfe. Die Propeller ihrer Helikopter bliesen den Schnee von der Dachhaut der Traglufthalle, verringerten so die Schneelast und vermieden den endgültigen Zusammenbruch. So konnte das Saatgut erst einmal provisorisch gesichert werden und im Anschluss auch die Traglufthalle relativ schnell wieder aufgerichtet werden. Damit wurde größerer Schaden vermieden und das wertvolle Saatgut für Bevölkerung und Export konnte wie geplant im Frühjahr ausgeliefert werden.

SAW Traglufthalle 2

Innenansicht Traglufthalle mit Saatgut (Foto M. Robra)

Soweit dem Verfasser bekannt, gab es in diesem extremen Winter bei allen damals noch in Nutzung befindlichen alten Saatgutspeichern des VEB und des VEG(S) August Bebel trotz einer enormen Schneelast keine Schäden an deren Dächern.

Das ist sicherlich einmal der äußerst soliden Bauweise dieser Lagerhäuser zuzuschreiben, zudem aber auch der jährlich im Herbst mit großer Sorgfalt durchgeführten „Woche der Winterfestmachung“ oder „Winterbereitschaft“.

Vor diesem Hintergrund auch ein schöner Erfolg, dass durch die Bemühungen des Leiters der Kreisdenkmalsbehörde, Dr. Oliver Schlegel, kürzlich erste Schritte zur Sicherung des historischen Saatgutspeichers auf dem Moorhof in Quedlinburg unternommen worden sind.

Gelände und Anlagen  des SAW im Neinstedter Feldweg wurden nach der Wende von den Nachfolgefirmen des VEB Saat- und Pflanzgut nur noch kurze Zeit für Saatgutreinigung und -lagerung genutzt und anschließend verkauft.  Heute haben dort nach entsprechenden Umbauten mehrere Technikfirmen ihre Heimstatt gefunden.

 

Autor: Hartmut Klein (damals Abt.ltr. Export) unter Verwendung von Angaben von K. Hübner, ehemaliger Direktor des VEB Saat- und Pflanzgut Quedlinburg

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